Zu Besuch in
der nördlichsten Hauptstadt Europas
Das Reykjavik-Open
wurde von uns mit sehr viel Spannung erwartet. Es wurde in der Vergangenheit
zum zweitbesten Open weltweit gewählt, auch das Rahmenprogramm hat
immer etwas zu bieten, so trat dort 2015 Weltmeister Magnus Carlsen beim
Pub Quiz und beim Fußballturnier an. Auch das Land interessierte
uns natürlich, so buchten wir eine kleine Rundreise mit den wichtigsten
Sehenswürdigkeiten des Südwestens der Insel, einschließlich
eines Besuchs am Grab von Bobby Fischer.
Aber erstens kommt
es anders… Bereits am zweiten Turniertag erwischte Bast eine schwere Erkältung,
er verlor dadurch die dritte Partie und musste aus dem Turnier aussteigen.
Ich stieg am Folgetag nach erfolgreichem Spiel eine Runde später aus,
um mich um den Patienten zu kümmern, aber wurde kurz darauf selber
einer, wodurch unsere Wohnung zu einer Seuchenstation wurde für eine
Woche bis zum Ende der Fahrt.
Es wäre zu viel,
hier über alles zu berichten, darum in diesem Teil nur das Schachliche,
denn ja, das gab es ja doch noch wie gesagt. In zwei weiteren Teilen soll
dann einmal über Reykjavik/Island und einmal über Bobby Fischer
berichtet werden, hier wird es dann auch in erster Linie Fotos geben.
Wenige Bilder hier,
aber durch anklicken kann man vergrößern
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Das Konzerthaus
Harpa
am Hafen in Downtown
Reykjavik
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Die Spielbedingungen
waren excellent.
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Das Turnier in Reykjavik
ist ein großes Open mit 235 Teilnehmern in einer Gruppe, was natürlich
schlechte Erinnerungen weckte an das Pingpong-Spiel in Capelle la Grande
2015. Bedenkzeit war wie gehabt 90 Minuten für 40 Züge + 30 Minuten
+ 30 Sekunden pro Zug. Topgesetzte waren Mamedyarov aus Aserbaidschan,
der Russe Andreikin und Rapport aus Frankreich, alle über 2700 Wertungspunkte.
Los ging es am Dienstag,
den 8. März. Wir reisten bereits zwei Tage vorher an, der Flug ab
Amsterdam mit der isländischen Billig-Fluglinie WOW war unproblematisch,
wenn auch der Flieger bis zum Anschlag mit Sitzen vollgestellt war, was
quasi keine Beinfreiheit mehr erlaubte. Aber nach knapp 3 Stunden Flug
landet man bereits in Keflavik, was nochmal rund 50 km von Reykjavik, unserem
Ziel, entfernt lag. Mit dem Mietwagen war das aber schnell überbrückt.
Wir hatten ein Appartement
in Downtown Reykjavik gemietet mit Wohnzimmer und Küche. Das war auch
alles sehr gut. Die Wohnung war nur gut einen Kilometer entfernt vom Spielort,
der Harpa Konzerthalle und lag im 3. Stock einer Anlage mitten in der angesagten
Haupteinkaufsstraße Laugavegur. Sehr viele interessante Läden
mit unterschiedlichen kulinarischen Möglichkeiten gab es dort. Freundliche
Leute und überall wurde englisch gesprochen.
Zwei Nachteile allerdings
würde ich nennen wollen zu Reykjavik: Erstens ist alles auf den Tourismus
ausgelegt, also Andenkenlädchen und Island-Philosophie an jeder Straßenecke
und das Zweite sind die Preise. Wenn man dort Essen geht, kann man die
deutschen Preise x2 nehmen, selbst das ist vielfach noch zu knapp gerechnet.
Gegen Reykjavik ist die Schweiz ein Dumpingpreisland. Grund ist wohl die
Finanzkrise von vor ein paar Jahren. Nun denn, nun aber zum schachlichen
Teil unserer Reise, auch wenn dieser nur recht kurz ausfiel.
Runde 1
Sebastian startete
zum Auftakt gegen einen älteren 1700er. Auch mit Schwarz hatte Bast
hier überhaupt keine Mühe, aber beim Nachspielen meine ich, dass
die Partie hätte abgekürzt werden können. Ich selber traf
auf ein junges Talent, den amerikanischen IM Awonder Liang, Jahrgang 2003
(! - IM) und über 2400 Punkte schwer. Ein echtes Wonderkind, und es
wäre Awonder gewesen, hätte ich hier etwas geholt. Mein Spiel
mit Schwarz war auch zu ambitioniert und ich verlor in gut 20 Zügen.
Ich gestattete meinem Gegner Grünfeld im Anzug mit Mehrtempo aufzbauen
und als mein König in der Mittel blieb, bekam ich dort Probleme.
Runden 2 und 3
Sebastian wollte am
zweiten Tag, dem einzigen Tag mit einer Doppelrunde, aus dem Pingpong-Spiel
ausbrechen, der Gegner war der einige Jahre jüngere Großmeister
Gretarsson aus Island mit 2572 ELO. Sebastian konnte mit der Eröffnung
durchaus zufrieden sein, doch irgendwann übersah er eine Taktik und
verlor einen Bauern, jedoch kämpfte er sich wieder heran und glich
materiell aus. Seine Stellung hatte allerdings auch noch andere Defekte,
so dass Schwarz wohl immer etwas besser stand. Dann ließ der GM aber
den Gewinn aus und Sebastian glich zumindest wieder aus, als sich plötzlich
sogar mehr anbot:
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Müer - Gretarsson
Stellung nach dem
33. Zug von Weiß
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GM Gretarsson
Sebastians Gegner
in dieser Partie
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Sebastian hatte soeben
33.
Se4-f5 gespielt und hier stand er sicherlich schon etwas besser. Der
GM fand seine Lage auch kritisch und opferte nun eine Qualität, was
hätte verlieren sollen mit 33. … Td5? Jetzt gewann nach 34.
Lxd5 cxd5 35. Dxc7 Dxf5 einfach 36. Kh2, was von Sebastian übersehen
wurde, allerdings waren beide Seiten knapp an Bedenkzeit. Bast nahm wie
gesagt das Opfer nicht an und spielte 34. Txd5 cxd5. Hiernach hätte
er nach Td1 immer noch besser gestanden, aber stattdessen brachte ihn De2
auf die Verliererstraße, er musste noch kurz vor der Zeitkontrolle
aufgeben.
Keine schöne Niederlage,
bereits während dieser Partie hatte sich bei Sebastian eine Erkältung
angedeutet. Diese brach aber vollends zwischen den Runden aus und in der
Nachmittagspartie gegen 1900 konnte Sebastian schon nicht mehr richtig
spielen. Er stand mit Schwarz gut, aber stellte eine Figur weg, kam nochmal
ran, stellte wieder was weg… Es ging nicht mehr. Nach dieser in gesundem
Zustand bestimmt nicht erfolgten Niederlage wollte Sebastian noch bis zum
nächsten Tag abwarten, was die Krankheit macht.
Mein Gegner in Runde
2 war erneut Jahrgang 2003, aber diesmal nur ein 1400er. Mit Weiß
eine etwas krumme Partie von mir, da ich in der Eröffnung eine bestimmte
Struktur vermeiden wollte, aber insgesamt doch ein nicht gefährdeter
Sieg, obwohl er mehr Spiel generieren konnte, als ich eigentlich zulassen
wollte. Aber mein Königsangriff war stärker als sein Zentrumsdurchbruch.
Es folgte in Runde
3 ein 20jähriger Isländer mit 2164 ELO. Hier gelang mir mit Schwarz
quasi eine Musterpartie gegen die weiße Eröffnung und ich habe
irgendwann gemerkt, die Stellung müsse gewonnen sein, was auch mehrfach
der Fall war. Trotz intensiver Berechnungen verfehlte ich diese Möglichkeiten
leider und erzielte nur ein Damenendspiel, was Remis wurde. Es war angesichts
des zuvor guten Spieles sehr ärgerlich, dass hier die Krönung
versagt blieb. Dennoch immerhin ein Schwarzremis gegen einen starken Gegner,
und das Glück sollte mir am nächsten Tag auch noch einmal zulächeln.
Runde 4
Sebastian entschied
unmittelbar vor der Runde, dass es für ihn nicht mehr weiterging,
was natürlich bitter war. Die folgenden zwei Tage konnte er das Bett
kaum verlassen. 17 ELO-Punkte Verlust waren natürlich danke für
nichts. Ich meldete Bast bei den verständnisvollen Organisatoren ab
und spielte dann selber meine 4. Partie, Weiß gegen - erneut - 2164,
diesmal aber ein älterer Spieler.
Ich machte ein paar
krumme Züge in der Eröffnung, aber hatte nachher etwas Vorteil.
Jedenfalls dachte ich das, als ich in ein Endspiel mit Bauern auf jeder
Seite und Läufer gegen Springer sowie aktiverem König abtauschte.
Aber ich übertrieb und dann wäre es fast passiert:
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Modder - Viglundsson
Stellung nach dem
36. Zug von Schwarz
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Mein Gegner hatte soeben
Kf5-e4 gespielt. Jetzt folgte 37. Lxb4? Sxb4 38. Kxb4 und Schwarz
hätte auf Gewinn spielen können mit Kf3, wonach der meine Bauern
g und h abräumt und sein h-Bauer einläuft. Ich laufe zwar am
Damenflügel auch ein, aber er behält noch ein paar Bauern im
Zentrum über. Stattdessen jedoch zog er 38. … Kd3?, wonach
die Stellung für ihn sogar auf Verlust geht. 39. g4 hxg4 40. hxg4
e5 41. g5 Jetzt hätte ich mich nach fxg5 quälen müssen
zum Sieg, doch er grub auch noch stattdessen e4? aus und musste
wenig später ein Damenendspiel mit 3 Bauern weniger quittieren und
gab auf.
Für mich also
ein recht erfolgreiches Turnier bis dahin, aber nicht unbedingt qualitativ
durchgehend gut. Immerhin ein Zuwachs von ca. 25 Ratingpunkten. Nach der
Runde stieg ich aus dem Turnier aus, um die Betreuung von Sebastian zu
übernehmen. Allerdings lag ich ab dem nächsten Tag selber flach,
da ich mich angesteckt hatte, nicht hilfreich war es dabei auch, dass ich
auf der Ausflugsfahrt vor der 4. Runde einen Tag lang in nasser Kleidung
herumlaufen musste. Das Wetter in Island war wirklich teilweise sehr schlecht,
sogar die Inlandsflüge mussten teilweise gestoppt werden.
Sonstiges
Somit blieb uns noch
eine Woche bis zur Rückreise, aber vollständig erholen konnten
wir uns nicht. Allerdings waren wir fit genug, um uns noch manches anzusehen
und zu besuchen. So machten wir noch einmal die Rundtour mit dem Besuch
des Nationalparks, der Geysire und Wasserfälle bis einschließlich
des Grabes von Fischer, die Sebastian ja verpasst hatte. Diesmal mit eigenem
Mietwagen. Und auch die berühmte Blaue Lagune wurde von uns besucht.
Bilder davon im nächsten Bericht wie gesagt.
Ein paar Rahmenveranstaltungen
besuchten wir auch noch. So nahmen wir am offenen Blitzturnier teil. Hier
erwischte Sebastian einen schlechten Start mit 2,0/4, aber er ließ
vier Siege in Folge sehen und am Ende spielte er vorne mit, verlor aber
gegen einen starken Gegner die letzte Partie. Ich selber bewegte mich im
Rahmen meiner Setztposition, die etwa Platz 25 von über 40 Teilnehmern
entsprach. Auch am Fussballspiel der Schachspieler konnte Sebastian wieder
teilnehmen, aber hier fehlte diesmal, nicht nur wegen Magnus, die Starpower.
Das Spiel bot viele Tore, aber war nicht auf hohem Niveau.
Ein Horror war die
Rückreise. Da unser Flug Donnerstags morgens ging, und wir am Mittwoch
mittag das Appartement räumten, waren wir fast 30 Stunden lang auf,
bis wir in Deutschland wieder die heimischen Unterkünfte beziehen
konnten. Und hier hatten wir mal Glück! Wir saßen am Notausgang,
und da gab es wegen der fehlenden Sitzreihe vor uns natürlich massive
Beinfreiheit.
Fazit
Auch wenn wir leider
durch Krankheit niedergestreckt wurden, war das Turnier doch eine Reise
wert, bzw. Island selber auch. Preise wie gesagt eigentlich nicht bezahlbar,
aber Land und Leute waren nett. Ob wir aber nochmal nach Island kommen
werden, ist fraglich, jedoch haben wir auch so noch einiges gesehen. Mehr
Fotos wie gesagt folgen demnächst.
Hier noch der Link
zur Turnierseite:
Offizielle
Turnierseite
Bericht
auf der Nachrichtenseite von Chessbase
Noch
ein Fotobericht von Chessbase mit Bildern von Ramirez
- frank modder,
19.03.2016
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Ein seltenes Bild
in Reykjavik, Bast am Brett,
hier während
einer Partie des Blitzturniers.
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