- Reykjavik Open, 2016 -
Reykjavik, Island
08.03. - 16.03.
 

Turnier im Lande der WM 1972
Erkrankungen warfen uns aus der Bahn
 
Zu Besuch in der nördlichsten Hauptstadt Europas

Das Reykjavik-Open wurde von uns mit sehr viel Spannung erwartet. Es wurde in der Vergangenheit zum zweitbesten Open weltweit gewählt, auch das Rahmenprogramm hat immer etwas zu bieten, so trat dort 2015 Weltmeister Magnus Carlsen beim Pub Quiz und beim Fußballturnier an. Auch das Land interessierte uns natürlich, so buchten wir eine kleine Rundreise mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Südwestens der Insel, einschließlich eines Besuchs am Grab von Bobby Fischer.

Aber erstens kommt es anders… Bereits am zweiten Turniertag erwischte Bast eine schwere Erkältung, er verlor dadurch die dritte Partie und musste aus dem Turnier aussteigen. Ich stieg am Folgetag nach erfolgreichem Spiel eine Runde später aus, um mich um den Patienten zu kümmern, aber wurde kurz darauf selber einer, wodurch unsere Wohnung zu einer Seuchenstation wurde für eine Woche bis zum Ende der Fahrt.

Es wäre zu viel, hier über alles zu berichten, darum in diesem Teil nur das Schachliche, denn ja, das gab es ja doch noch wie gesagt. In zwei weiteren Teilen soll dann einmal über Reykjavik/Island und einmal über Bobby Fischer berichtet werden, hier wird es dann auch in erster Linie Fotos geben.

Wenige Bilder hier, aber durch anklicken kann man vergrößern
 

Das Konzerthaus Harpa
am Hafen in Downtown Reykjavik
Die Spielbedingungen waren excellent.

Das Turnier in Reykjavik ist ein großes Open mit 235 Teilnehmern in einer Gruppe, was natürlich schlechte Erinnerungen weckte an das Pingpong-Spiel in Capelle la Grande 2015. Bedenkzeit war wie gehabt 90 Minuten für 40 Züge + 30 Minuten + 30 Sekunden pro Zug. Topgesetzte waren Mamedyarov aus Aserbaidschan, der Russe Andreikin und Rapport aus Frankreich, alle über 2700 Wertungspunkte.

Los ging es am Dienstag, den 8. März. Wir reisten bereits zwei Tage vorher an, der Flug ab Amsterdam mit der isländischen Billig-Fluglinie WOW war unproblematisch, wenn auch der Flieger bis zum Anschlag mit Sitzen vollgestellt war, was quasi keine Beinfreiheit mehr erlaubte. Aber nach knapp 3 Stunden Flug landet man bereits in Keflavik, was nochmal rund 50 km von Reykjavik, unserem Ziel, entfernt lag. Mit dem Mietwagen war das aber schnell überbrückt.

Wir hatten ein Appartement in Downtown Reykjavik gemietet mit Wohnzimmer und Küche. Das war auch alles sehr gut. Die Wohnung war nur gut einen Kilometer entfernt vom Spielort, der Harpa Konzerthalle und lag im 3. Stock einer Anlage mitten in der angesagten Haupteinkaufsstraße Laugavegur. Sehr viele interessante Läden mit unterschiedlichen kulinarischen Möglichkeiten gab es dort. Freundliche Leute und überall wurde englisch gesprochen.

Zwei Nachteile allerdings würde ich nennen wollen zu Reykjavik: Erstens ist alles auf den Tourismus ausgelegt, also Andenkenlädchen und Island-Philosophie an jeder Straßenecke und das Zweite sind die Preise. Wenn man dort Essen geht, kann man die deutschen Preise x2 nehmen, selbst das ist vielfach noch zu knapp gerechnet. Gegen Reykjavik ist die Schweiz ein Dumpingpreisland. Grund ist wohl die Finanzkrise von vor ein paar Jahren. Nun denn, nun aber zum schachlichen Teil unserer Reise, auch wenn dieser nur recht kurz ausfiel.
 

Runde 1

Sebastian startete zum Auftakt gegen einen älteren 1700er. Auch mit Schwarz hatte Bast hier überhaupt keine Mühe, aber beim Nachspielen meine ich, dass die Partie hätte abgekürzt werden können. Ich selber traf auf ein junges Talent, den amerikanischen IM Awonder Liang, Jahrgang 2003 (! - IM) und über 2400 Punkte schwer. Ein echtes Wonderkind, und es wäre Awonder gewesen, hätte ich hier etwas geholt. Mein Spiel mit Schwarz war auch zu ambitioniert und ich verlor in gut 20 Zügen. Ich gestattete meinem Gegner Grünfeld im Anzug mit Mehrtempo aufzbauen und als mein König in der Mittel blieb, bekam ich dort Probleme.

Runden 2 und 3

Sebastian wollte am zweiten Tag, dem einzigen Tag mit einer Doppelrunde, aus dem Pingpong-Spiel ausbrechen, der Gegner war der einige Jahre jüngere Großmeister Gretarsson aus Island mit 2572 ELO. Sebastian konnte mit der Eröffnung durchaus zufrieden sein, doch irgendwann übersah er eine Taktik und verlor einen Bauern, jedoch kämpfte er sich wieder heran und glich materiell aus. Seine Stellung hatte allerdings auch noch andere Defekte, so dass Schwarz wohl immer etwas besser stand. Dann ließ der GM aber den Gewinn aus und Sebastian glich zumindest wieder aus, als sich plötzlich sogar mehr anbot:
 

Müer - Gretarsson
Stellung nach dem 33. Zug von Weiß
GM Gretarsson
Sebastians Gegner
in dieser Partie

Sebastian hatte soeben 33. Se4-f5 gespielt und hier stand er sicherlich schon etwas besser. Der GM fand seine Lage auch kritisch und opferte nun eine Qualität, was hätte verlieren sollen mit 33. … Td5? Jetzt gewann nach 34. Lxd5 cxd5 35. Dxc7 Dxf5 einfach 36. Kh2, was von Sebastian übersehen wurde, allerdings waren beide Seiten knapp an Bedenkzeit. Bast nahm wie gesagt das Opfer nicht an und spielte 34. Txd5 cxd5. Hiernach hätte er nach Td1 immer noch besser gestanden, aber stattdessen brachte ihn De2 auf die Verliererstraße, er musste noch kurz vor der Zeitkontrolle aufgeben.

Keine schöne Niederlage, bereits während dieser Partie hatte sich bei Sebastian eine Erkältung angedeutet. Diese brach aber vollends zwischen den Runden aus und in der Nachmittagspartie gegen 1900 konnte Sebastian schon nicht mehr richtig spielen. Er stand mit Schwarz gut, aber stellte eine Figur weg, kam nochmal ran, stellte wieder was weg… Es ging nicht mehr. Nach dieser in gesundem Zustand bestimmt nicht erfolgten Niederlage wollte Sebastian noch bis zum nächsten Tag abwarten, was die Krankheit macht.

Mein Gegner in Runde 2 war erneut Jahrgang 2003, aber diesmal nur ein 1400er. Mit Weiß eine etwas krumme Partie von mir, da ich in der Eröffnung eine bestimmte Struktur vermeiden wollte, aber insgesamt doch ein nicht gefährdeter Sieg, obwohl er mehr Spiel generieren konnte, als ich eigentlich zulassen wollte. Aber mein Königsangriff war stärker als sein Zentrumsdurchbruch.

Es folgte in Runde 3 ein 20jähriger Isländer mit 2164 ELO. Hier gelang mir mit Schwarz quasi eine Musterpartie gegen die weiße Eröffnung und ich habe irgendwann gemerkt, die Stellung müsse gewonnen sein, was auch mehrfach der Fall war. Trotz intensiver Berechnungen verfehlte ich diese Möglichkeiten leider und erzielte nur ein Damenendspiel, was Remis wurde. Es war angesichts des zuvor guten Spieles sehr ärgerlich, dass hier die Krönung versagt blieb. Dennoch immerhin ein Schwarzremis gegen einen starken Gegner, und das Glück sollte mir am nächsten Tag auch noch einmal zulächeln.

Runde 4

Sebastian entschied unmittelbar vor der Runde, dass es für ihn nicht mehr weiterging, was natürlich bitter war. Die folgenden zwei Tage konnte er das Bett kaum verlassen. 17 ELO-Punkte Verlust waren natürlich danke für nichts. Ich meldete Bast bei den verständnisvollen Organisatoren ab und spielte dann selber meine 4. Partie, Weiß gegen - erneut - 2164, diesmal aber ein älterer Spieler.

Ich machte ein paar krumme Züge in der Eröffnung, aber hatte nachher etwas Vorteil. Jedenfalls dachte ich das, als ich in ein Endspiel mit Bauern auf jeder Seite und Läufer gegen Springer sowie aktiverem König abtauschte. Aber ich übertrieb und dann wäre es fast passiert:
 

Modder - Viglundsson
Stellung nach dem
36. Zug von Schwarz

Mein Gegner hatte soeben Kf5-e4 gespielt. Jetzt folgte 37. Lxb4? Sxb4 38. Kxb4 und Schwarz hätte auf Gewinn spielen können mit Kf3, wonach der meine Bauern g und h abräumt und sein h-Bauer einläuft. Ich laufe zwar am Damenflügel auch ein, aber er behält noch ein paar Bauern im Zentrum über. Stattdessen jedoch zog er 38. … Kd3?, wonach die Stellung für ihn sogar auf Verlust geht. 39. g4 hxg4 40. hxg4 e5 41. g5 Jetzt hätte ich mich nach fxg5 quälen müssen zum Sieg, doch er grub auch noch stattdessen e4? aus und musste wenig später ein Damenendspiel mit 3 Bauern weniger quittieren und gab auf.

Für mich also ein recht erfolgreiches Turnier bis dahin, aber nicht unbedingt qualitativ durchgehend gut. Immerhin ein Zuwachs von ca. 25 Ratingpunkten. Nach der Runde stieg ich aus dem Turnier aus, um die Betreuung von Sebastian zu übernehmen. Allerdings lag ich ab dem nächsten Tag selber flach, da ich mich angesteckt hatte, nicht hilfreich war es dabei auch, dass ich auf der Ausflugsfahrt vor der 4. Runde einen Tag lang in nasser Kleidung herumlaufen musste. Das Wetter in Island war wirklich teilweise sehr schlecht, sogar die Inlandsflüge mussten teilweise gestoppt werden.

Sonstiges

Somit blieb uns noch eine Woche bis zur Rückreise, aber vollständig erholen konnten wir uns nicht. Allerdings waren wir fit genug, um uns noch manches anzusehen und zu besuchen. So machten wir noch einmal die Rundtour mit dem Besuch des Nationalparks, der Geysire und Wasserfälle bis einschließlich des Grabes von Fischer, die Sebastian ja verpasst hatte. Diesmal mit eigenem Mietwagen. Und auch die berühmte Blaue Lagune wurde von uns besucht. Bilder davon im nächsten Bericht wie gesagt.

Ein paar Rahmenveranstaltungen besuchten wir auch noch. So nahmen wir am offenen Blitzturnier teil. Hier erwischte Sebastian einen schlechten Start mit 2,0/4, aber er ließ vier Siege in Folge sehen und am Ende spielte er vorne mit, verlor aber gegen einen starken Gegner die letzte Partie. Ich selber bewegte mich im Rahmen meiner Setztposition, die etwa Platz 25 von über 40 Teilnehmern entsprach. Auch am Fussballspiel der Schachspieler konnte Sebastian wieder teilnehmen, aber hier fehlte diesmal, nicht nur wegen Magnus, die Starpower. Das Spiel bot viele Tore, aber war nicht auf hohem Niveau.

Ein Horror war die Rückreise. Da unser Flug Donnerstags morgens ging, und wir am Mittwoch mittag das Appartement räumten, waren wir fast 30 Stunden lang auf, bis wir in Deutschland wieder die heimischen Unterkünfte beziehen konnten. Und hier hatten wir mal Glück! Wir saßen am Notausgang, und da gab es wegen der fehlenden Sitzreihe vor uns natürlich massive Beinfreiheit.

Fazit

Auch wenn wir leider durch Krankheit niedergestreckt wurden, war das Turnier doch eine Reise wert, bzw. Island selber auch. Preise wie gesagt eigentlich nicht bezahlbar, aber Land und Leute waren nett. Ob wir aber nochmal nach Island kommen werden, ist fraglich, jedoch haben wir auch so noch einiges gesehen. Mehr Fotos wie gesagt folgen demnächst.

Hier noch der Link zur Turnierseite:

Offizielle Turnierseite

Bericht auf der Nachrichtenseite von Chessbase

Noch ein Fotobericht von Chessbase mit Bildern von Ramirez

- frank modder, 19.03.2016
 

Ein seltenes Bild in Reykjavik, Bast am Brett,
hier während einer Partie des Blitzturniers.